Aromatherapie ist ein weites Feld. Schon im Interview mit Ute Leube von PRIMAVERA wurde klar, dass sie die Grundlage von Naturkosmetik ist. Doch was genau versteckt sich hinter dem Begriff, der mit Natur lockt und so besonders sein soll? Tobias Kahrmann hat dieses Fachgebiet für sich entdeckt und ist mittlerweile auch als Blogger und Seminarleiter unterwegs. In seinen Workshops gibt es viel zu rühren und auszuprobieren.

 

  1. Seit einigen Jahren schon bist Du der Hersteller Deiner eigenen Naturkosmetik. Du weißt ganz genau, was Du auf Deine Haut aufbringst. Wie bist Du denn zur Naturkosmetik gekommen? Was stellst Du Dir alles selbst her?

Das war eher Zufall: In einem Volkshochschulkurs haben wir eine ganz einfache Salbe aus Öl und Bienenwachs hergestellt. Ich habe danach ein bisschen recherchiert und herausgefunden, dass man noch viel mehr selber machen kann – angefangen von Gesichtscreme und Deo, über Shampoo und Duschgel bis zur Zahncreme. Die Liste ist lang … Mittlerweile kaufe ich eigentlich gar nichts mehr, denn es macht mir einfach viel mehr Spaß, meine eigenen Produkte herzustellen.

 

 

  1. Was ist für Dich der Unterschied zwischen herkömmlicher Kosmetik und Naturkosmetik?

Zum einen natürlich die Inhaltsstoffe, die bei Naturkosmetik viel hautfreundlicher und naturnäher sind. Das deckt sich mit meinem Verständnis von natürlicher Körperpflege. Außerdem stecken ja meist noch immaterielle Werte im Produkt: keine Tierversuche, vegan, umweltfreundlich, sozialverträglich (Anbau-Partner von Rohstoffen z. B.). Mit hochwertiger Naturkosmetik tue ich also nicht nur mir und meiner Haut, sondern auch anderen Menschen, den Tieren und der Umwelt etwas Gutes.

 

  1. Kosmetik, das klingt so nach viel Gedöns, was Frauen nutzen. Daher die Frage: Was genau wird als Kosmetik bezeichnet, was gehört dazu?

Den Begriff „Kosmetik“ scheinen viele tatsächlich immer noch mit Make-Up in Verbindung zu bringen. Das stimmt ja auch zum Teil, denn man bezeichnet dieses als sogenannte „dekorative Kosmetik“. Alles andere nenne ich „Pflegekosmetik“, weil es zur Pflege von Haut und Haar dient. Dazu gehören die Gesichtscreme und die Körperlotion, aber auch Reinigungsprodukte, wie Waschgel oder Shampoo. Ebenso dazu zählen Deo, Zahncreme, Duschgel, Seife usw. – eigentlich alles, was der Pflege des eigenen Körpers dient und dabei verbraucht wird.

 

 

  1. Die Rohstoffe aus der Aromatherapie können wir als Grundlage der Naturkosmetik bezeichnen. Doch was macht gute Naturkosmetik noch alles aus?

Naturkosmetik stützt sich für mich auf drei Hauptkomponenten(-gruppen): erstens die pflanzlichen Öle, mit ihren wertvollen Fettsäuren und Fettbegleitstoffen, die unsere Haut kräftigen und nähren; zweitens die Wirkstoffe, die z. B. den Feuchtigkeitsgehalt der Haut steigern oder gegen Unreinheiten wirken; und zu guter Letzt noch die pflanzlichen Extrakte, zu denen ich auch die ätherischen Öle und Hydrolate zähle – sie runden das Konzept ab. Idealerweise sollten alle Inhaltsstoffe und Zutaten gut aufeinander abgestimmt sein, dann wirken sie synergetisch (d. h. sich gegenseitig unterstützend und in ihrer Wirkung stärkend).

 

 

  1. Du bist auch viel in der Botanik unterwegs und gewinnst mit Deiner Destille die Rohstoffe selbst. Wie gehst Du denn dabei vor? Wie suchst Du die Pflanzen aus?

Von Frühling bis Herbst kann ich unterschiedliche Pflanzen in der Natur sammeln und frisch destillieren. Dabei suche ich meistens einfach das aus, was gerade wächst: z. B. im Frühjahr Gundermann oder Fichtentriebe, im Sommer Holunder, Schafgarbe oder Wildrosen, im Herbst Wasserminze. Im Sommer ist die Auswahl in unseren Breitengraden natürlich am üppigsten. Daneben behelfe ich mir mit Pflanzen vom Balkon oder aus dem Garten (verschiedene Kräuter, Rosengeranie und Zitronenverbene). Und wenn es kein frisches Material gibt, kann ich auch mal zu getrockneten Kräutern und Pflanzen greifen, die enthalten oft auch noch ausreichend Inhaltsstoffe für die Hydrolate. Manchmal schwimmt sogar etwas ätherisches Öl oben auf, aber bei den kleinen Mengen, die ich destilliere, lohnt es sich nicht, das extra abzunehmen. Ich belasse es im Hydrolat, das dadurch noch reichhaltiger wird.

 

Was ist Naturkosmetik?

 

  1. Leider gibt es vom Gesetz her doch sehr flexible Auslegungen, was als Naturkosmetik bezeichnet werden darf. Wie wird Naturkosmetik per Gesetzt definiert und wie definierst Du sie für Dich?

Der Begriff Naturkosmetik ist bisher leider nicht eindeutig rechtlich definiert und geschützt. Aber es gibt Verbände, die Definition mit Ausschlusskriterien festlegen und Siegel vergeben. Ihnen gemein ist z. B., dass bei Naturkosmetik bestimmte Inhaltsstoffe wie Polyethylenglykole (PEG), Silikone, Parabene, synthetische Duftstoffe, Paraffine und andere Erdölprodukte nicht enthalten sein dürfen. Wie „natürlich“ die restlichen Inhaltsstoffe dann sind, ob aus biologischem Anbau oder nicht – das variiert dann je nach Siegel und Hersteller.

Für mich ist wichtig, dass so viele Zutaten wie möglich naturbelassen sind und aus umweltfreundlichen Bedingungen stammen, z. B. aus Bio-Anbau. Einige moderne Rohstoffe stammen nun mal aus dem Labor – Waschtenside oder Deo-Wirkstoffe sind so ein Fall. Sie basieren aber auf natürlichen Ausgangsstoffen, wie Zucker oder Kokosöl, werden vom Körper gut vertragen und sind biologisch vollständig abbaubar.

 

 

  1. Überall Natur drin, wo Natur draufsteht? Wohl kaum, es wird viel getrickst. Woran erkenne ich wirklich hochwertige Naturkosmetik?

Es gibt ja mittlerweile einige Siegel, die von offiziellen Verbänden vergeben werden. Über die Kriterien kann ich mich im Internet auf der Seite des jeweiligen Verbandes informieren. Noch ist das alles leider etwas wirr. Aber immerhin bieten diese Siegel erste verlässliche Anhaltspunkte für echte Naturkosmetik, auch im Ausland. Denn wenn ein solches Siegel nicht drauf ist – oder nur ein von der Firma selbst erfundenes – kann ich mich erstmal nicht darauf verlassen, dass es sich wirklich um Naturkosmetik handelt.

 

 

  1. Was sind Deine Lieblingsdüfte, die Du gerne in der selbstgemachten Kosmetik verwendest?

Was bei mir NIE fehlen darf ist Lavendel fein. Kombiniert mit Vanille und/oder Benzoe siam ergibt das sehr weiche, sanfte Düfte, die auch noch sehr hautpflegend und universell einsetzbar sind. Wenn es etwas edler sein darf, greife ich gerne mal zu Rose, Neroli oder Osmanthus – Wohlfühleffekt für Haut und Nase gleichermaßen. Im Shampoo mag ich Rosmarin und im Duschgel verwende ich am liebsten die spritzigen Düfte, wie Zitrone, Grapefruit oder Limette.

 

 

  1. Naturkosmetik selbst herstellen klingt oftmals kompliziert. Hast Du ein Rezept für unsere Leser, was sie sich selbst mit einfachen Mitteln herstellen können?

Das Schöne an selbstgemachter Naturkosmetik ist, dass man den Schwierigkeitsgrad und den damit verbundenen Aufwand ganz einfach selber bestimmen kann. Ich rate davon ab, gleich mit einer aufwändigen Gesichtspflegeserie zu starten. Warum nicht erstmal einen einfachen Lippenbalsam herstellen, für den man nur 3 Zutaten braucht? Da kann nicht viel schief gehen und lange haltbar ist er auch noch (ca. 1 Jahr).

Das geht folgendermaßen:
5 g Pflanzenöl (z. B. Mandel- oder Jojobaöl),
2,5 g Bienen- oder Beerenwachs (das ist vegan, aber auch etwas weicher)
und 2,5 g Shea-, Mango- oder Kakaobutter
vorsichtig und langsam zusammen aufschmelzen (z. B. im Wasserbad).
Es sollte nicht zu heiß werden, ca. 60-70 Grad Celsius müssten ausreichen. In ein sauberes Gläschen oder Döschen füllen und für ca. 30 Min. in den Kühlschrank stellen, bis alles schön fest ist. Den Deckel dabei offenlassen, damit sich kein Kondenswasser bildet. Fertig.

Die Zutaten bekommt man evtl. im Bioladen oder im Reformhaus. Oder man bestellt sie im Internet (eine Liste für Bezugsquellen gibt‘s auf meiner Website).

 

 

  1. Hast Du noch ein Anliegen, etwas das Du unseren Lesern mit auf den Weg geben möchtest?

Es lohnt sich, in gute Naturkosmetik zu investieren, denn sie nährt und schützt uns von außen. Das hat für mich auch etwas mit Selbstfürsorge zu tun. Man kann daraus z. B. ein kleines Ritual machen, indem man sich abends vor dem Schlafengehen 10 Minuten Zeit nimmt für sich und sich mit einem (selbstgemachten) Körperöl einreibt. Es gibt schöne Mischungen zu kaufen, aber eine Herstellung ist auch nicht kompliziert – eigentlich reichen schon ein Pflanzenöl und 1–2 ätherische Öle nach Wahl. Kleiner Aufwand, große Wirkung.